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»Nicht mehr als eine Prise Salz« – Das Statement des Netzwerks Kölner Chöre zu den städtischen Streichungsplänen in der Freie Kulturszene

Statement des Netzwerks Kölner Chöre zu den geplanten Kulturkürzungen 25/26Vor Beginn des ausverkauften »Festlichen Weihnachtssingens Kölner Chöre« am 23. Dezember 2024 in der Kölner Philharmonie hat Nico Köhs, Musikalischer Leiter des Philharmonischen Chors Köln, das folgende Statement des Netzwerks Kölner Chöre vorgetragen:

»Meine sehr verehrten Damen und Herren,

im Namen des Netzwerks Kölner Chöre und der drei heute Abend beteiligten Chöre möchte ich Sie sehr herzlich zu unserem diesjährigen Weihnachtssingen begrüßen.

Bitte erlauben Sie, dass ich – bevor wir mit den schönen Dingen beginnen – ein paar Worte stellvertretend für das Netzwerk an Sie richte, die unserer Auffassung nach eine akute Dringlichkeit besitzen.

Ich habe Ihnen einen Lebkuchen mitgebracht. Bitte stellen Sie sich einmal vor: Dieser Lebkuchen steht für den kompletten Kulturetat der Stadt Köln. Was glauben Sie, wie hoch der Anteil der freien Szene ist in diesem Kultur-Lebkuchen, in Musik, Theater, Bildender Kunst und interdisziplinären Formen – also das Geld für Ensembles, die nicht über einen städtischen oder sonstigen staatlichen Träger organisiert sind?

Es ist eine Prise Salz. Genauer gesagt: 0,25 Prozent.

Ich habe mal ein bisschen Mathematik studiert und kann sagen: Das ist sehr, sehr wenig.

Dabei leistet diese freie Szene einen Großteil der kulturellen Arbeit in Köln, sage und schreibe 80 Prozent aller Veranstaltungen werden von ihr auf die Beine gestellt.

Vielleicht haben Sie schon über die Medien von den geplanten Kürzungen der städtischen Kulturförderung gehört, die vor dem Hintergrund der Kölner Haushaltsdebatte zur Diskussion stehen. Nachdem die Kürzungen im Berliner Kulturetat in der letzten Woche nach großem öffentlichen Protest zwar in einer abgeschwächten Form, aber dennoch mit sehr weitreichenden Folgen für die Berliner Kulturszene den Senat passiert haben, nimmt auch bei uns in Köln die Debatte an Fahrt auf. In Berlin ging es um rund 11 Prozent Kürzung, in Köln soll es sogar fast ein Viertel sein. Es geht dabei insbesondere um die Zuschüsse für die freie Szene.

Wir müssen uns dabei bewusst machen, dass freie Künstler:innen ohnehin immer mit knappen Budgets kalkulieren müssen und die Honorare häufig unterdurchschnittlich sind. Das bedeutet: viel Idealismus, viel Arbeit für wenig Geld. Und nochmal: sie sind für 80 % der Kulturveranstaltungen verantwortlich. Wenn man Künstler:innen, die unverhältnismäßig wenig Geld bekommen, einen Großteil der Finanzierung streicht, geht es nicht mehr ums Sparen, sondern dann geht es um die Existenz.

Im aktuellen Entwurf des Kulturdezernenten sind konkret Kürzungen von insgesamt einem Viertel des Kulturbudgets (etwa 6 Mio. €) vorgesehen. Von Streichungen bedroht sind u.a.: der Komplettzuschuss der Stadt Köln für das Festival für Neue Musik „Acht Brücken“, viele Veranstaltungen des Literaturhauses, der Cologne Jazzweek sowie des Shalom-Musik Köln-Festival für jüdische Musik – gefährdet sind auch das weithin bekannte Concerto Köln, die Kölner Gesellschaft für Neue Musik, der Stadtmusikverband und vieles mehr.

Es gibt nicht nur kulturelle Argumente, die gegen diese Kürzungen sprechen. Aus ökonomischer Perspektive hängen an Kulturveranstaltungen viele sekundäre Wirtschaftsleistungen wie Hotelübernachtungen, Restaurantbesuche oder Taxifahrten. Kultur zu streichen in Städten, die außer Kultur wenig zu bieten haben, ist immer schwierig. Und der Anteil des Kulturetats am Gesamthaushalt ist mit 5 % winzig. Auch wenn zum Sparen jeder Cent beiträgt und auch die Kultur ihren Beitrag leisten muss: Noch nie wurde ein städtischer Haushalt gerettet durch Kürzungen an der Kultur.

Politisch betrachtet sind kulturelle Räume außerdem auch immer Räume der Begegnung und des Austauschs, die unserer Meinung vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Erosionen wichtiger sind denn je.

Wir – das Netzwerk Kölner Chöre, der Oratorienchor Köln, der Konzertchor Köln und der Philharmonische Chor Köln – beziehen mit diesem Mitsingkonzert solidarisch Position gegen diese Kürzungen. Auch Sie können etwas tun: Es gibt eine Online-Petition des Kulturnetzes Köln und des Kölner Kulturrats, die die freie Szene vertreten. Beziehen Sie dort bitte Stellung und machen Sie klar, dass Ihnen die Kölner Kultur nicht egal ist. Den Link zur Petition finden Sie zum Beispiel auf der Website des Netzwerks Kölner Chöre. Auch weitere Aktionen in Köln sind geplant vor der entscheidenden Sitzung des Finanzausschusses Mitte Januar und des Rats Mitte Februar.

Dabei gilt für uns: Keiner der zwölf Chöre des Netzwerks, auch nicht das Netzwerk Kölner Chöre selbst, ist von den erwarteten Kürzungen selbst unmittelbar betroffen. Warum? Ganz einfach: Wir alle haben noch nie eine reguläre städtische Förderung bekommen.

Für mich persönlich gibt es in dieser Zeit der multiplen Krisen (Haushaltskrisen, Krisen von demokratischen Systemen, Klimakrise) nichts Schöneres, als wenn Menschen gemeinsam singen und dabei auch noch Spaß haben. In diesem Sinne: Lassen Sie uns die Musik hochleben und damit das beste Argument gegen Kürzungen im Kulturbereich liefern.

Schön, dass Sie dabei sind!«